Surrealismus
Essay by 24 • April 6, 2011 • 1,054 Words (5 Pages) • 955 Views
AndrÐ"© Breton : Manifest des Surrealismus (1924)
Wir leben noch unter der Herrschaft der Logik Ð'-- darauf wollte ich allerdings hinaus. Aber die logischen Methoden unserer Zeit werden nur noch auf die LÐ"¶sung von Problemen zweiter Ordnung angewendet. Der absolute Rationalismus, der noch in Gebrauch ist, erlaubt lediglich die BerÐ"јcksichtigung von Fakten, die eng mit unserer Erfahrung verknÐ"јpft sind. Die logischen Zwecke hingegen entgehen uns. UnnÐ"¶tig hinzuzufÐ"јgen, daÐ"ÑŸ auch der Erfahrung Grenzen gesteckt wurden. Sie windet sich in einem KÐ"¤fig, aus dem sie entweichen zu lassen immer schwieriger wird. Auch sie stÐ"јtzt sich auf die unmittelbare NÐ"јtzlichkeit, auch sie wird vom gesunden Menschenverstand bewacht. Unter dem Vorwand der Zivilisation, des Fortschritts, gelang es schlieÐ"ÑŸlich, alles aus dem Geist zu verbannen, was mit Recht oder Unrecht als Aberglaube, als Hirngespinst gilt, jede Art der Wahrheitssuche zu verurteilen, die nicht der herkÐ"¶mmlichen entspricht. Vor kurzem ist Ð'-- scheinbar durch den grÐ"¶Ð"ÑŸten aller ZufÐ"¤lle Ð'-- ein Teil der geistigen Welt wieder ans Licht gehoben worden, meines Erachtens der weitaus wichtigste, um den sich zu bekÐ"јmmern man nicht mehr fÐ"јr nÐ"¶tig befand. Freuds Entdeckungen gebÐ"јhrt unser Dank. Auf Grund dieser Entdeckungen bildet sich endlich eine neue geistige Richtung heraus, die es begÐ"јnstigt, daÐ"ÑŸ der Erforscher des Menschlichen seine Untersuchungen weiter vorantreiben kann, ihn bevollmÐ"¤chtigt, nicht mehr nur summarische Erfahrungen zu berÐ"јcksichtigen. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre Rechte einzutreten. Wenn die Tiefen unseres Geistes seltsame KrÐ"¤fte bergen, befÐ"¤higt, diejenigen der OberflÐ"¤che zu mehren oder sie siegreich zu bekÐ"¤mpfen, so haben wir allen Grund, sie aufzufangen, sie zuerst aufzufangen und danach, wenn nÐ"¶tig, der Kontrolle unserer Vernunft zu unterwerfen. Selbst die Analytiker kÐ"¶nnen dabei nur gewinnen. Wichtig ist jedoch zu bemerken, daÐ"ÑŸ keine Methode a priori zur Verwirklichung dieser Unternehmung bestimmt ist; daÐ"ÑŸ diese bis auf weiteres ebenso als der DomÐ"¤ne der Dichter zugehÐ"¶rig gelten kann als der der Gelehrten; und daÐ"ÑŸ ihr Erfolg nicht abhÐ"¤ngt von den mehr oder weniger gewundenen Wegen, die man wÐ"¤hlen wird.
Mit vollem Recht hat Freud seine Kritik auf das Gebiet des Traums gerichtet. Es ist in der Tat ganz unzulÐ"¤ssig, daÐ"ÑŸ dessen betrÐ"¤chtlicher Anteil an der psychischen TÐ"¤tigkeit (erfÐ"¤hrt doch - zumindest von der Geburt bis zum Tode Ð'-- die geistige TÐ"¤tigkeit des Menschen keinerlei Unterbrechung, und ist doch die Summe der Traum-Momente, selbst wenn man nur den reinen Traum, den des Schlafs, in Betracht zieht, nicht geringer als die Summe der Wirklichkeits-Momente, sagen wir einfach: der Wachseins-Momente), daÐ"ÑŸ dieser betrÐ"¤chtliche Anteil des Traums, sage ich, noch so wenig Aufmerksamkeit hat erlangen kÐ"¶nnen. Die Tatsache, daÐ"ÑŸ die Ereignisse des Wachseins und die des Schlafes dem gewÐ"¶hnlichen Beobachter von so Ð"¤uÐ"ÑŸerst verschiedener Wichtigkeit und Bedeutung erscheinen, hat mich schon immer in Erstaunen gesetzt. Der Mensch ist eben, wenn er nicht mehr schlÐ"¤ft, vor allem ein Opfer seines GedÐ"¤chtnisses, welches sich darin gefÐ"¤llt, ihm im Normalzustand die Traumereignisse nur schwach nachzuzeichnen - dem Traum jedoch all seine Folgenschwere zu benehmen und als einzige Determinante den Zeitpunkt zu sehen, wo der Mensch glaubt, sie vor einigen Stunden zurÐ"јckgelassen zu haben: jene Hoffnung, jene Sorge. Der Traum sieht sich auf diese Weise, auf eine Einklammerung reduziert, wie die Nacht. Und nicht mehr als sie bringt er gemeinhin Rat. Diese merkwÐ"јrdige Sachlage scheint mir zu einigen Ð"Ñšberlegungen aufzufordern:
1. Innerhalb der Grenzen, in denen er sich produziert (zu produzieren scheint), erscheint der Traum durchaus als kontinuierlich, zeigt er eine gewisse Organisation. Das GedÐ"¤chtnis nur maÐ"ÑŸt sich das Recht an, ihn zu beschneiden, Ð"ÑšbergÐ"¤nge nicht zu beachten und uns eher eine Reihe von TrÐ"¤umen vorzufÐ"јhren als den Traum. Desgleichen haben wir von den RealitÐ"¤ten nur im einzelnen Augenblick eine deutlich unterschiedliche Vorstellung, und ihre Koordination ist Sache des Willens. (1)
Und es drÐ"¤ngt sich hier die wichtige Beobachtung auf, daÐ"ÑŸ nichts uns ermÐ"¤chtigt, auf eine grÐ"¶Ð"ÑŸere AuflÐ"¶sung bei den Traum-Elementen zu schlieÐ"ÑŸen. Ich bedaure, darÐ"јber in Formeln zu sprechen, die
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